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« Bauer (32) sucht Frau mit Traktor. Zuschriften mit Bild vom Traktor bitte an … »

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Falls es irgendwo im Universum diese Frau gegeben hätte, die tatsächlichauf diesen Inserenten reagiert und in ihr Antwortkuvert kein Bild von sich, dafür ein Bild ihres Traktors, und dies Bild ihres Traktors hätte ihm gefallen, dann … hätten sie sich getroffen. Sie wäre zu ihm fahren. Auf ihrem Traktor. Sie hätte ihn auch damit fahren lassen, weil sie ihm vertraut hätte, und er hätte nach der Probefahrt ihre Augen geschaut und gesagt, dass sie da einen schönen Traktor habe, und sie hätte gesagt, dass er gut aussehe auf ihrem Traktor und er solle gefälligst beim Runterschalten den zweiten Gang nicht so reinwürgen. Und er hätte gesagt: «So, jetzt schau dir mal den Hof an», und sie wären, seil altes rostiges Tracktorenwrack umgehend, ins Haus gegangen, und sie hätte gesagt: «Da fehlt eine Frau, wie das hier aussieht», und er hätte gesagt: «Ich weiß», und sie hätte ihn prüfend angeschaut und gefragt: «Was wirft er denn ab, dein Hof?», und er hätte ihr gesagt, was er abwirft, sein Hof, und sie hätte die Stirn gerunzelt und gerechnet und dann genickt und gesagt: «Aha.» Und dann hätte sie noch das Vieh begutachtet und die Scheune, und danach hätten die beiden nicht recht weitergewusst, weil ja alles schon klar gewesen wäre, und dann hätte er gefragt: «Und jetzt?», und sie dann hätte sie gesagt: «Ich lass den Traktor bei dir», und er hätte genickt und gesagt: «Gut», und sie hätte ihm die Hand hingehalten und er hätte eingeschlagen, und sie hätten sich lange und prüfend in die Augen gesehen, und er hätte gesagt: «Ich will dann kein Gejammer hinterher», und sie hätte gesagt: «Und ich kein Gefluche», und sie hätten sich weiter in die Augen gesehen, und dann hätten sie beide gleichzeitig genickt und sich, nach einem kräftigen Druck, wieder losgelassen an den Händen, und dann hätte sie gefragt: «Und wo wird geschlafen?», und er hätte es ihr gezeigt, und sie hätte den frischen Blumenstrauß auf dem Nachtkästchen entdeckt und gefragt: «Hast du gewusst, dass ich bleibe?», und er hätte gesagt: «Nein, aber gehofft – bei dem schönen Traktor», und sie hätte ihm einen Schlag vor die Brust geknallt, und er wäre zurückgeprallt und rücklings aufs Bett gefallen, und sie hätte sich am liebsten gleich dazugeworfen, stattdessen aber hätte sie gesagt: «Ich brauch einen Schnaps», und sie wären in die Küche gegangen und hätten beim Selbstgebrannten viel besprochen und einander alles gesagt, was nämlich sie, die Frau, nie wieder durchgehen lassen würde bei einem Mann, respektive was er, der Mann, nie wieder hinnehmen würde bei einem Weib, und sie hätten sich oft zugenickt und sich in die Augen gesehen, und am anderen Morgen in der Früh wäre sie wieder aufgebrochen, aber sie hätte ihn, den Traktor, wirklich dagelassen, und dann, ein paar Tage später, wäre sie mit dem Rest ihrer Habe wiedergekommen, und ein paar Monate später hätten sie geheiratet.

Ich schwöre, sie wären miteinander glücklich geworden. Sehr, sehr glücklich.

Weil sie gewusst hätten, was der andere zu geben hat und was er zu nehmen gedenkt. Weil man in der Liebe nicht immer nur nehmen und nehmen und nehmen kann. Aber eben auch nicht immer nur geben und geben und geben. Die Liebe ist beides, sie ist ein Geschäft zum Nutzen und Frommen beider. Auch wenn das nicht romantisch klingt, es ist so. In der echten Lieb. In jener Liebe, die für immer ist.

Ich behaupte, in der romantischen, selbstlosen idealen Liebe liebt gar keiner. Man liebt nicht mal die Liebe. Man liebt höchstens sich selbst für die Selbstlosigkeit, mit der man liebt. Dafür, dass man sagt: «Ich liebe dich», und dafür, dass man dabei Herzklopfen hat. Obwohl das Herz nur klopft, weil man tief drinnen gar nicht sicher ist, ob’s auch wirklich stimmt und ob man es nicht einfach nur behauptet. Und man liebt es natürlich, dass man jetzt also auch mal so was erlebt, was sonst immer nur die anderen erleben, auf der Kinoleinwand und in der Vorabendserie.

In der romantischen Liebe muss man höllisch aufpassen, dass einem das Schlimmste nicht passiert: Mehr geliebt zu werden, als man selber liebt. Das wäre der Super-GAU! Wenn man, sagen wir zehn Kilo liebe kriegt, aber nur acht Kilo liefert, hat man einen Gewinn gemacht, ist also ein Liebesgewinnler und damit eindeutig kein selbstlos Liebender. Man ist herabgesunken in den stinkenden Pfuhl der Drecks-Egoisten-Liebe. Darum muss man permanent überprüfen, ob man sein Selbstlosen-Soll noch erfüllt oder ob der Liebes-Output mengenmäßig ins Soll gerutscht ist. Diese permanente Liebesbuchhaltung wird natürlich von beiden Seiten geführt, ist somit eine doppelte Buchhaltung, und die wird, wie die meisten Buchhaltungen, gern ein wenig frisiert.

Er: «Ich liebe dich.»
Sie: «Ich dich auch.»
Pause.
Sie: «Ach, ich liebe dich mehr als alles andere auf der Welt.»
Er: «Ich liebe dich auch mehr als alles … äh … im ganzen Universum.»
Sie: «Ich hab noch nie so fest geliebt.»
Er: «Ich auch nicht, so fest wie … wie …»
Sie: «Wie was?»
Er: «So … unendlich, umfassend und … ewig.»
Sie: «Liebst du mich denn so sehr wie ich dich liebe?.»
Er: «Noch viel mehr.»
Sie: «Mehr, als ich dich liebe, geht gar nicht.»
Er: «Doch, ich liebe dich mehr als du mich.»
Sie: «Nein, ich liebe dich mehr.»
Er: «Nein, ich dich.»
Sie: «Nein ich.»
Er: «Ich.»
Sie: «Ich.»
Er: «Ich.»
Sie: «Ich.»
Beide: «ICH.»

Das kann auf die Dauer nicht gutgehen. Denn beide beginnen ihre eigene Behauptung, sie liebten mehr, als sie geliebt werden, selber zu glauben. Und sich irgendwann zu fragen, ob man, verdammt nochmal bei so viel Selbstlosigkeit nicht mehr Liebe verdient habe? Und jetzt werden sich beide heimlich umsehen, ob da nicht jemand anderer die investierte Selbstlosigkeit angemessener und daher höher verzinst.

Die selbstlose Liebe ist nicht nur das Ende des Selbst, sonder auch der Tod der Liebe. Die selbstlose Liebe ist das Arschlochigste, was der Mensch je erfunden hat.


Aus „Lieber einmal mehr als mehrmals weniger – Frisches aus der Arschlochfreien Zone“, Dieter Moore